Energieleitbild Stadt Bad Wurzach
Die nachhaltige Entwicklung versteht sich als dauerhafte Aufgabe zur Befriedigung der Bedürfnisse der heutigen Generation, ohne die zukünftige Generation und deren Bedürfnisse zu beeinträchtigen (United Nations World Commission on Environment and Development, 1987). Die in dem 1987 im sogenannten Brundtlandbericht der Vereinten Nationen erklärte Zielstellung prägt bis heute das Verständnis für Nachhaltigkeit.
Ein weiterer klarer Meilenstein erfolgte auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris mit dem verabschiedeten „Übereinkommen von Paris“. Es enthält die Verpflichtung zur Gestaltung einer klimafreundlichen Wirtschaft und Reduktion klimaschädlicher Auswirkungen, unter anderem ganz konkret formuliert in dem Ziel, den „Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“ (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2024).
Die Agenda 2030, ebenfalls in 2015 verabschiedet, benennt 17 Ziele „für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung“ und bietet damit einen „Fahrplan für die Zukunft, mit dem weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und dabei gleichsam die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden“ (Die Bundesregierung, 2024).
Neben der europäischen Antwort auf die global gesetzten Ziele mit dem Green Deal hat die deutsche Bundesregierung die Vorgaben auf eine Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie heruntergebrochen: „Ein ‚nachhaltiges‘ Deutschland muss ein fortschriftliches, innovatives, offenes und lebenswertes Land sein“ (Die Bundesregierung, 2020).
Für die Umsetzung der globalen wie auch nationalen Ziele sind die Kommunen als zentrale Akteure zu sehen (vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung, 2020, S. 1ff). Die Herausforderung besteht dabei, die bestehende Komplexität, Vernetzung und Dynamik. zu mehr Nachhaltigkeit zu transformieren (vgl. Riedel, 2020, S. 11).
Das Land Baden-Württemberg hat mit dem Klimaschutzpakt von Land und kommunalen Landesverbänden die Ziele für klimaneutrale Kommunen bis 2040 festgeschrieben (vgl. Rechsteiner, E., Hertle, H., 2023). Als klimaneutrale Kommune wir eine Verwaltung bezeichnet, deren anthropogen verursachte[n] Treibhausgasemissionen und die durch Senken der Atmosphäre entzogenen Treibhausgase bilanziell bei null liegen“ (vgl. Rat für nachhaltige Entwicklung, Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e. V, 2021). Auch Bad Wurzach hat sich dieses Ziel gesetzt.
Bad Wurzach, eingebettet in die malerische Allgäuer Hügellandschaft, bietet mit der größten intakten Hochmoorfläche Mitteleuropas ein Naturerlebnis der außergewöhnlichen Art. Und so tritt Bad Wurzach nicht nur für die Umsetzung der globalen Klimaziele ein, sondern auch für den Erhalt der besonderen Landschaft und für eine lebenswerte Zukunft in der Region. Das Energieleitbild der Stadt Bad Wurzach zeigt als energiepolitischer Leitfaden die konkret gesetzten Ziele auf.
1. Entwicklungsplanung, Stadtentwicklung
ZIEL ist es, die Stadt klimaneutral, ressourcenschonend und sicher weiterzuentwickeln.
MASSNAHMEN im Rahmen der Baulandentwicklung sind die Inanspruchnahme vorhandener Bauflächen durch Aktivierung unbebauter Grundstücke, Nachverdichtung im Innenbereich und Mehrfachnutzungen.
Bei der Konzeption von Bebauungsplänen werden Aspekte der Nachhaltigkeit herangezogen:
• Ausweisung von Mehrfamilienhäusern und damit ein geringerer Flächenanspruch pro Wohneinheit
• Eine auf das Minimum reduzierte Versiegelung der Flächen
• Ausrichtung der Gebäude zur Nutzung der Sonnenenergie
• Nachhaltige Entwässerungskonzepte, auch zum Schutz vor Hochwasserereignissen
• Förderung des Einsatzes regenerativer Energietechnologie.
Zudem sollen aktive Maßnahmen den bereits spürbaren Klimaveränderungen entgegenwirken:
• Hochwasserschutzmaßnahmen wie die Entsiegelung von Flächen und die Ausweisung von Versickerungs- und Wasserrückhaltefläche,
• Hitzeschutz durch stärkere Begrünung mit Bäumen und Grünflächen im Straßenraum und den innerstädtischen Bereichen
• Förderung der Artenvielfalt durch beispielsweise Blühflächen und Verwendung heimischer Pflanzenarten
• Aufbau eines Biotopverbunds.
2. kommunale Gebäude und Anlagen
ZIEL ist es, die CO2-Emmissionen der städtischen Gebäude zu senken.
Bad Wurzach als drittgrößte Flächengemeinde in Baden-Württemberg verfügt über dezentrale Strukturen und eine Vielzahl an Gebäuden. Der Gebäudebestand stammt zum Großteil aus der Zeit vor bzw. um 1900 sowie den 1970er und 1990er Jahren. Der umfassende und teils sehr alte Bestand zeigt sich insbesondere in den Aufwendungen für die Instandhaltung und den Energiebedarf.
MASSNAHMEN zur Senkung der CO2-Emmissionen der städtischen Gebäude sind die energetische Sanierung sowie Umrüstung der Heizungstechnik auf erneuerbare Energien. Vor dem Hintergrund der Vielzahl an Gebäuden wird hierzu ein Konzept unter Berücksichtigung von Kriterien wie Energieverbrauch, Gebäudezustand und Nutzungsintensität erstellt. Anhand dieses Fahrplans und einer daraus resultierenden Priorisierung wird die sukzessive Umsetzung angestrebt.
3. Energieversorgung
ZIEL ist es, die städtischen Gebäude und Anlagen mit treibhausgasneutraler Energie zu versorgen.
Der Stromverbrauch der Stadt Bad Wurzach lag in 2023 bei insgesamt rund 1.570 MWh. Hierbei setzt Bad Wurzach bereits seit 2013 zu 100 % auf Ökostrom. Zur Versorgung der städtischen Gebäude mit Wärme wurden in 2023 rund 3.400 MWh verbraucht. Hier bestehen noch viele Altanlagen, die mit Heizöl oder Erdgas betrieben werden.
MASSNAHMEN zur weiteren Reduktion des Stromverbrauchs bestehen im Wesentlichen in der Umstellung auf LED-Beleuchtung sowohl in Gebäuden als auch in der Straßenbeleuchtung. Zum Einsatz soll dabei künftig auch Strom aus Eigenerzeugung kommen. Hierzu werden auf Grundlage der bereits erstellten Potentialanalyse zur PV-Anlagennutzung die Dachflächen städtischer Gebäude sukzessive mit PV-Anlagen belegt.
In der Wärmeversorgung sollten künftig nach Möglichkeit klimaneutrale Energien eingesetzt werden. Um eine möglichst effiziente Nutzung zu garantieren werden Quartiersversorgungskonzepte erarbeitet, mögliche Wärmequellen untersucht und Wirtschaftlichkeitsanalysen erstellt. Die Umsetzung der Heizungstechniken soll im Rahmen von Gebäudesanierungen wie auch als Einzelprojekte erfolgen.
4. Mobilität
ZIEL ist es, die CO2-Emmissionen im Verkehr zu senken und die klimafreundlichen Mobilitätsarten zu stärken.
Mobilität nimmt in Anbetracht von Flexibilität und Schnelligkeit, die das gesellschaftliche Leben heute voraussetzt, einen weiterhin hohen Stellenwert ein. Dies zeigt sich insbesondere im ländlichen Raum, der nach wie vor nicht die öffentlichen Verbindungen bietet. Bad Wurzach als Flächengemeinde mit neun Teilorten und über 160 Weilern verbunden über insgesamt rund 500 km Wegenetz
MASSNAHMEN werden in der Reduktion und Verbesserung des Individualverkehrs gesehen. Hierzu soll eine moderne Verkehrsplanung eingesetzt werden.
Die Attraktivität klimafreundlicher Mobilitätsformen soll weiter gefördert werden. Hierzu gehören der Ausbau der Radwege auf Grundlage des Radwegekonzepts für den Alltagsradverkehr, welches aktuell erstellt wird, aber auch die Stärkung und Verbesserung der Fußwegeverbindungen sowie des öffentlichen Nahverkehrs. Ergänzend soll das Angebot der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie das Carsharing verbessert werden.
Die Umstellung der städtische Fahrzeugflotte auf Elektrofahrzeuge, der Einsatz von elektrisch betriebenen Maschinen und die Nutzung von E-Bikes ist ein weiterer Block der Bad Wurzacher Mobilitätswende.
5. Verwaltung
ZIEL ist es, die Verwaltungsprozesse klimaneutral zu gestalten.
MASSNAHMEN ergeben sich insbesondere aus der Digitalisierung. Konkret werden folgende Digitalisierungsprojekte umgesetzt:
• Digitale Antragstellung zur Vermeidung von (Mehrfach-)Fahrten von Bürgern zur Verwaltung
• Elektronische Schriftgutverwaltung zur Reduzierung des Papierverbrauchs und Verringerung des Energieverbrauchs durch weniger Druckvorgänge
• Digitale Poststelle und damit Verringerung des Papierverbrauchs und der damit verbundenen Ressourcen
• Elektronische Rechnungsverarbeitung zur Reduzierung von Papier und Druckprozessen
• Mobiles Arbeiten für weniger Pendelverkehr und damit geringerer Kraftstoffverbrauch
• Automatische Überwachung der Pegelstände für die Umsetzung von effizienten Hochwasserschutzmaßnahmen und dadurch indirekte Energieeinsparung
• Energiemanagement zur besseren Überwachung und Steuerung der Energieverbräuche und Identifikation von Einsparpotentialen.
Ein weiterer Baustein stellt die nachhaltige Beschaffung dar. Die Stadt Bad Wurzach setzt dabei auf die Verwendung regionaler Produkte und die Zusammenarbeit mit regionalen Firmen.
6. Kommunikation
ZIEL ist es, für Klima- und Umweltschutz Sensibilität zu schaffen und die Akzeptanz zu erhöhen.
Die Stadt Bad Wurzach möchte Vorbild sein und zu einem bewussten klimafreundlichen und nachhaltigen Denken und Handeln motivieren.
MASSNAHMEN in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind unter anderem:
• Regelmäßige Informationen und Vorträge zu den Themen aus Energie, Umwelt und Klima
• Gezielte Aktionen und Bürgerbeteiligungen
• Stadtradeln und Stadtlauf
• Müllsammelaktionen.